Frankreich

Das Erbe der französischen Uranminen

von aaa-Red

Auf dem französischen Staatsgebiet gibt es 248 ehemalige Uranminen, die über 26 Departements verteilt sind. Die letzte wurde 2001 geschlossen. Doch die Hinterlassenschaften der Minen strahlen weiter. Seit vierzig Jahren kämpfen Aktivist*innen gegen die kontaminierten 'Überbleibsel' der landeseigenen Uran-Produktion.

Mehrere Organisationen und Kollektive warnen die Öffentlichkeit vor der radioaktiven Kontamination der Umwelt, die in der Umgebung sehr vieler Standorte nach wie vor besorgniserregend ist. Dutzende besorgte Bürgerinnen und Bürger gehen seit der Minenschließung in der Bretagne, im Gard in Südfrankreich oder im Zentralmassiv auf radioaktive Spurensuche. Der Atomkonzern Orano, für die ehemaligen Urananlagen zuständig, beschwichtigt derweil und nennt seine Sanierungspolitik erfolgreich.

Mit dem Ziel, sowohl militärisch als auch zivil eine Atommacht zu werden, hat Frankreich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs versucht, seine Selbstversorgung mit Uran sicherzustellen. Die erste Mine wurde bereits 1948 in Saint-Sylvestre im Departement Haute-Vienne eröffnet. Die letzte Mine, die Jouac-Mine im selben Departement, wurde im Juni 2001 stillgelegt.

Zwischen diesen beiden Daten hat Frankreich an fast 250 Standorten mehr als 80.000 Tonnen Uran aus seinem Untergrund gewonnen. Die reichsten Vorkommen enthielten nur 1 bis 5 Kilogramm Uran pro Tonne Erz. Es erstaunt nicht, dass bei diesem Abbau 300 Millionen Tonnen Abfall anfielen, hauptsächlich radioaktiver Schlamm und Abraum.

    Radioaktive Rückstände überall verteilt

Jahrzehntelang wurden diese radioaktiven Rückstände als kostenloses Füllmaterial für Bauarbeiten über das Land verteilt: auf Fußballfeldern, Parkplätzen, Grünanlagen, Bauplätzen, Uferböschungen…  Mit Geigerzählern ausgestattete Bürger und Wissenschaftler konnten an diesen Orten radioaktive Strahlungswerte feststellen, die bis zum 500fachen über der natürlichen Radioaktivität liegen. Geleitet hat diese Untersuchung Bruno Chareyron, Labor-Leiter des "Zentrums für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität" (CRIIRAD). Jahrelange Messungen dieses einzigen unabhängigen Labors ergaben einen eindeutigen Befund:: Viele Gebiete sind hochgradig kontaminiert.

"Wenn Sie das Beispiel der Uranmine Bois Noire im Loire-Gebiet hernehmen: unsere Untersuchungen zeigen, dass es mehrere Dutzend, wenn nicht sogar Hundert Standorte rund um die Mine gibt, wo radioaktiver Abfall der Mine wieder verwendet wurde. Bis heute haben wir erreicht, dass die Betreiber-Firma Areva neun der Standorte dekontaminiert. Davon betroffen sind beispielsweise der Innenhof eines Restaurants, ein Bauernhof, ein Sägewerk, aber es bleiben noch andere verseuchte Plätze übrig – beispielsweise ein Parkplatz, wo die Strahlungswerte über dem 500fachen der natürlichen Radioaktivität liegen.", so Bruno Chareyron.

Zunächst einmal setzen die Abfälle aus den Minen ein hochradioaktives Gas frei: Radon, das bei einer Konzentration von mehr als 100 Becquerel pro Kubikmeter gesundheitsschädlich ist. Laut der Weltgesundheitsorganisation erhöht eine Exposition über diesem Grenzwert das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 16 %. In einigen Häusern in der Nähe der ehemaligen Uranminen hat die CRIIRAD Konzentrationen von mehr als 5000 Bq/m3 festgestellt.

Die Region Limousin ist am stärksten von der Radioaktivität betroffen, die von den ehemaligen französischen Uranminen ausgeht. In Limoge findet sich diese Radioaktivität sogar im Leitungswasser wieder, da die Versorgungsseen durch den Bergbau kontaminiert wurden.

"Die Wasserkontamination ist leider nicht "außergewöhnlich", da die Lagerstätten für Schlamm und Abraum aus dem Bergbau - wie Bellezane in der Haute Vienne - nicht wasserdicht sind und die Radioaktivität überall hingelangt, in Pflanzen, in die Gewässer usw.", so eine Bewertung von der Organisation Sortir du nucleaire.

Im Rahmen der Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm für France 3 Nouvelle Aquitaine Ende März 2021 in Bessines-sur-Gartempe im Département Haute-Vienne (Limousin) stellte die CRIIRAD fest, dass radioaktive Abfälle aus dem ehemaligen Uranbergbau in der öffentlich zugänglichen Umgebung in der Nähe des Standorts Bellezane, der unter der Verantwortung von ORANO (ehemals AREVA) steht, zurückgelassen wurden. Die Strahlenbelastung beim Kontakt mit diesem roten Schlamm erreicht einen Wert, der 20 Mal höher ist als normal .

Die Analyse einer Probe dieses Rotschlamms im Labor der CRIIRAD bestätigt, dass es sich bei diesen Materialien tatsächlich um radioaktive Abfälle der Kategorie FA-VL (Gesamtaktivität deutlich über 200.000 Becquerel pro Kilogramm) handelt. Sie weisen hohe Konzentrationen an radioaktiven Substanzen auf, die besonders radiotoxisch sind, wenn sie verschluckt werden, wie Blei 210, und/oder eingeatmet werden, wie Thorium 230. Diese Materialien sollten an einem dafür vorgesehenen Ort gelagert werden.

Diese Situation ist umso schockierender, als die CRIIRAD vor 23 Jahren das Vorhandensein dieser Art von Abfällen am selben Ort[ aufgedeckt hatte. Die Messungen, die CRIIRAD im März 2021 in der Region Bessines-sur-Gartempe durchführte, zeigten weitere radioaktive Verschmutzungen auf, wie die unzureichende radiologische Dekontaminierung des Geländes am Rande des Teichs von La Crouzille (der immerhin als Trinkwasserreserve für die Stadt Limoges dient), oder die hohe Radioaktivität der Straßen in Razès in der Nähe von Grundstücken, die AREVA-ORANO jedoch nach eigenen Angaben dekontaminiert hat.

Nicht weniger besorgniserregend ist die Situation im Departement Morbihan, wo bis in die 1980er Jahre 26 Minen betrieben wurden. Der Abraum von 10 dieser Minen wurde als Aufschüttung für Parkplätze, Straßen und sogar Bauernhöfe in vier Gemeinden des Departements verwendet. Seit 2010 hat die Vereinigung Roz Glas mit Unterstützung von Experten der CRIIRAD dort hohe Radioaktivitätswerte festgestellt und fordert die Dekontaminierung der Standorte durch Orano.

Dasselbe gilt für Saint-Priest-la-Prugne an der Grenze zwischen den Departements Loire und Allier, wo von 1954 bis 1980 eine Mine betrieben wurde, die ab 1960 von einer chemischen Fabrik zur Verarbeitung des Erzes flankiert wurde. Seit 40 Jahren prangert das "Collectif des Bois Noirs" dort die Gefahren an, die mit dem radioaktiven Abraum verbunden sind, der für Aufschüttungen über ein Dutzend Gemeinden verstreut wurde.

Diese Beispiele sind keine Einzelfälle. Überall machen Organisationen, Basisverbände und Kollektive von Anwohnern der ehemaligen Bergwerke die Öffentlichkeit aufmerksam auf die radioaktive Kontamination der Umwelt in der Umgebung der ehemaligen Bergwerke und die schlechte Verwaltung der Standorte durch Orano.

    Straffreiheit für Verursacher

Im Juni 2005 wurde Cogema wegen "Verschmutzung und Hinterlassen von radioaktiven Abfällen" angeklagt. Doch Cogema wurde freigesprochen: Straffreiheit für den Verursacher, denn die Atomlobby unterliegt nicht dem allgemeinen Recht, sondern dem Bergbaurecht..

    ASN: "Potentiell gefährlich, aber keine Gefahr"

André-Claude Lacoste, Chef der staatlichen Agentur für nukleare Sicherheit (ASN), erklärt, dass bis heute nirgendwo eine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung festgestellt worden sei. Epidemiologische Studien für die Anwohner von Uranminen erscheinen ihm als vollkommen sinnlos : "Diese Materien sind möglicherweise gefährlich, aber die Untersuchungen, über die wir verfügen, führen uns zu der Annahme, dass keine Gefahr existiert."

Also potentiell gefährlich, aber keine Gefahr...
"Es gibt keine epidemiologischen Studien im Niedrigdosis-Bereich, weil diese Studien in diesem Bereich keine Schlussfolgerungen ziehen können… und deshalb keinen Sinn machen." Äußerungen, die Bruno Chareyron, den Laborleiter des CRIIRAD, überaus verwundern:  "Wenn für ihn eine unmittelbare oder bedeutende Gefahr lediglich bedeutet, dass jemand sofort sterben wird, dann hat er Recht. Aber im Bereich des Strahlenschutzes geht es darum, die Leute vor langfristigen Gefahren niedriger Strahlenwerte zu schützen, die langfristig ein höheres Krebsrisiko bedeuten können".

Das CRIIRAD hat mit seinen Untersuchungen gezeigt, dass die Leute nicht zu unterschätzenden Strahlungen ausgesetzt sind. Das heißt ein höheres Krebsrisiko und in einigen Fällen unannehmbare Strahlenwerte, die die jährlich zugelassene Strahlendosis von einem Millisivert pro Jahr überschreiten."

Tatsache ist, dass bei ehemaligen Minenarbeitern die Lungenkrebsrate 40 Prozent höher ist als bei der Normalbevökerung, dass Strassen, Häuser, ganze Dörfer und Freizeitanlagen auf radioaktivem Gestein erbaut, Messungen manipuliert, alarmierende Berichte von Ministern seit Jahrzehnten unter Verschluss gehalten wurden.

    "Collectif Mines d'Uranium": gemeinsamer Widerstand

Im Jahr 2012 schlossen sich ein Dutzend lokaler Vereine zusammen und stellten ein gemeinsame Diagnose: "Das Erbe jahrzehntelanger Ausbeutung der französischen Uranminen ist für die Gebiete schwer, denn es hinterlässt Hunderte Millionen Tonnen gefährlicher radioaktiver Abfälle. Diese werden allzu oft in der Umwelt verstreut oder unter völlig ungeeigneten Bedingungen gelagert. Sie führen zu vielfältigen Umweltverschmutzungen (Luft, Wasser, Boden, Nahrungskette), die heute und für zukünftige Generationen unannehmbare Gesundheitsgefahren mit sich bringen", erklärten sie damals. Sie gründeten das "Collectif Mines d'Uranium".

Seitdem übt das Kollektiv unaufhörlich Druck auf Areva (heute Orano) aus, das seiner Meinung nach "mit allen Mitteln versucht, sich seiner Verantwortung zu entziehen". Der Staat, "der die Atomindustrie allzu oft gedeckt hat, hat es vorgezogen, die Verantwortungslosigkeit der Betreiber zu organisieren, insbesondere durch eine selbstgefällige Gesetzgebung".

Das Kollektiv hebt einen positiven Punkt hervor. "Der Erfahrungsaustausch, der sich aus dem Treffen der Vereine ergibt, zeigt, dass lokal wichtige Siege errungen wurden: Dekontaminierung auf Kosten von Orano von manchmal großen Gebieten (Schulhöfe, öffentliche Parkplätze und Wege, Häuser, Badesee, Trinkwasserreserven usw.). Diese Fortschritte müssen Präzedenzfälle darstellen:

Was Orano irgendwo unter dem Druck von Vereinen erreicht hat, muss überall möglich sein".@

 

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