wie der Planfeststellungsbeschluss zustande kam: Mit einer fachgerechten Entscheidung hatte das nichts zu tun

Wenig weise Weisungen

von Ursula Schönberger, atommüllreport

Am 31. August 1982 stellte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) als zuständige Behörde den Antrag auf Einleitung eines Planfeststel­lungs­­­­verfahrens für die Schachtanlage Konrad als Endlager für radioaktive Abfälle.

Politische Interessen dominierten das gesamte Verfahren. Noch während die ersten Voruntersuchungen liefen, tauchte Schacht Konrad 1981 bereits als Entsorgungsnachweis in den Baugenehmigungen für die Atomkraftwerke Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Grafenrheinfeld (Bayern) auf. 1983 schrieb die Bundesregierung 1983 in ihrem Bericht zur Entsorgung der Kernkraftwerke und anderer kerntechnischen Einrichtungen: Sie gehe davon aus, "dass im Jahre 1988 mit der Einlagerung in der Grube Konrad begonnen werden kann"...

Ganz so schnell und einfach ging es dann doch nicht. Nachdem Gutachter der Stadt Salzgitter zu dem Urteil kamen, die vorgelegten Unterlagen hätten nicht einmal das Niveau einer Doktorarbeit, musste die PTB als Vorhabensträgerin weitere Untersuchungen durchführen.

Mitte der 1980er Jahre gab es eine grundlegende Erweiterung des Planantrages. Kriterium für die Endlagerung sollte nicht mehr die Dosisleistung sein ("schwach- und mittelradioaktiv"), sondern die Wärme. Das umgebende Wirtsgestein soll um nicht mehr als 3° Celsius erwärmt werden. Damit sollten 95% des Volumens radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland in Konrad eingelagert werden.

Obwohl die inzwischen vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden war und auch andere Fragen ungeklärt waren, wies Bundesumweltminister Klaus Töpfer im Januar 1991 das Niedersächsische Umweltministerium an, die Planunterlagen auszulegen. Zwar zog Niedersachsen vor das Bundesverfassungsgericht, doch das entschied am 10. April 1991, dass das Land einer atomaufsichtlichen Weisung Folge leisten muss, und zwar unabhängig davon, ob die Weisung inhaltlich rechtmäßig sei. Daraufhin griff Töpfer mehrmals verfahrenslenkend per Weisung ein. Unter anderem wies er an, dass im Planfeststellungsverfahren das Transportrisiko nicht Gegenstand der Betrachtung sein dürfe.

Für die Betriebserlaubnis einer Gaststätte kann es durchaus relevant sein, welchen Störungen die Anwohner*innen durch den verursachten Verkehr ausgesetzt sind. Für den Betrieb eines "End"lagers sind die Gefahren, die von den Atomtransporten in die betroffene Region ausgehen, laut Weisung irrelevant! Erst ab dem Zaun dürfen sie betrachtet werden. Dabei führt allein die enorme Menge an Atomtransporten sowohl zu einer höheren Strahlenbelastung im Normalbetrieb als auch zu einer Potenzierung des Unfallrisikos. Ganz zu schweigen von den spezifischen Gefahren der Lage von Schacht Konrad direkt neben VW und den Stahlwerken der Salzgitter AG mit den Transporten heißer Schlacke und anderer nicht ungefährlicher Güter.

    Erörterung

Vom 16.5. bis 15.7.1991 wurden bundesweit 289.387 Einwendungen gegen das Projekt eingelegt. Der Erörterungstermin zum Projekt Konrad war der längste in der Geschichte der BRD. Über fünf Monate wurde an 75 Verhandlungstagen die umfangreiche Kritik vorgetragen.

Die Kritik der Einwender*innen und ihrer Gutachter*innen während des Erörterungstermins war fundamental. Kritisiert wurde zum Beispiel im Bereich Langzeitsicherheit:

  • Es fehlt ein wissenschaftsbasiertes Standortauswahlverfahren wie es damals bereits bei Deponien für Sonderabfälle Praxis gewesen war.
     
  • Für eine Langzeitsicherheitsberechnung fehlen grundlegende Daten. Weder ist der hydrogeologische Antriebsmechanismus bekannt noch das Radionuklidinventar, das eingelagert werden soll.
     
  • Die in den Modellrechnungen für die Langzeitsicherheit zugrunde gelegten geologischen Daten haben zufälligen Charakter. Sie entsprechen den Erdöl- und Erdgasbohrungen im Untersuchungsgebiet aus den 1920er Jahren, denen sie entstammen. Sie sind weder räumlich und zeitlich repräsentativ noch enthalten sie qualitativ verlässliche Informationen für den Zweck der sicheren Lagerung von Atommüll.
     
  • Die mögliche Ausbreitung der Radionuklide über die Schächte und alten Bohrungen ist völlig unzureichend untersucht worden. Es fehlt sowohl der Nachweis für die angenommene Wasserdurchlässigkeit als auch für die Machbarkeit des vorgesehenen Schachtverschlusses.
     
  • Sämtliche Programme, mit denen die Grundwasserverhältnisse beziehungsweise der Radionuklidtransport modelliert worden sind, sind nicht validiert.
     
  • Es bleibt unklar, an welchem Ort, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Konzentration Radionuklide in der Biosphäre auftauchen werden.
     

Der Erörterungstermin endete am 6. März 1993, und damit war die Beteiligung der Öffentlichkeit abgeschlossen. Das Verfahren verschwand für lange Zeit aus der öffentlichen Wahrnehmung. Die Niedersächsische Genehmigungsbehörde erstellte einen Katalog von 300 Sach- und 100 Rechtsfragen, die nach dem Erörterungstermin offen waren.

Bundesumweltminister Töpfer und seine Nachfolgerin Angela Merkel versuchten über weitere politische Einflussnahme und einen Genehmigungsentwurf aus dem eigenen Haus, den Planfeststellungsbeschluss zu beschleunigen. Doch letztlich war es nicht die CDU, sondern waren es SPD und Grüne, die das Atommüllprojekts Schacht Konrad genehmigten. Das Vorspiel begann 1999, als sowohl der Landesumweltminister Jüttner (SPD) als auch der Bundesumweltminister Trittin (Grüne) in der Öffentlichkeit erklärten, dass sie Schacht Konrad für nicht genehmigungsfähig halten würden. Doch anstatt zusammen das Projekt zu beerdigen, schoben sie sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu, wer für ein Ende von Konrad die Verantwortung übernehmen muss.

    Ohne Rückgrat

Ungeachtet ihrer fachlichen Kritik an dem Projekt schrieb die rot-grüne Bundesregierung am 14. Juni 2000 im Atomkonsens mit der Energiewirtschaft die Genehmigung von Schacht Konrad fest. Eine rein politische Entscheidung in Kenntnis der Gesundheitsgefährdung künftiger Generationen! Zwei Jahre später vollzog das niedersächsische Umweltministerium die Konsensvereinbarung und erteilte am 3. Juni 2002 die Genehmigung.

Völlig zur Farce wurde die anschließende gerichtliche Auseinandersetzung um Schacht Konrad. Anstatt inhaltlich den Planfeststellungsbeschluss zu prüfen, ging es im Wesentlichen um die Klagebefugnis. Die Klagen der Kommunen Salzgitter, Vechelde und Lengede erklärte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg gleich für unzulässig. Die Planfeststellung sei eigentlich gar keine Planfeststellung, sondern eine "gebundene Genehmigung". Deshalb gäbe es keine Abwägungspflicht, sondern ein Recht des Antragstellers auf Genehmigung, sobald er die Anforderungen erfülle. Fazit: Kommunen haben beim Bau einer Umgehungsstraße mehr Einspruchsrechte als beim Bau eines Atommüllendlagers.

Der Landwirt Traube aus Salzgitter-Bleckenstedt, der stellvertretend für alle anderen vor Gericht gezogen war, dürfe als Betroffener zwar klagen, es gäbe aber kein Recht auf "Nachweltschutz". Er müsse nachweisen, dass er selbst gesundheitliche Folgen durch die Atommülllagerung haben würde, den Schutz seiner Kinder, Enkelkinder und nachfolgender Generationen dürfe er nicht einklagen. Gleichzeitig entschied das OVG Lüneburg, dass gegen diese Grundsatz-Entscheidung keine Revision zugelassen werden würde. Die Kläger legten beim Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ein, die das Bundesverwaltungsgericht abwies. Damit wurde die Genehmigung von Schacht Konrad am 3. April 2007 rechtskräftig; das Bundesumweltministerium beauftrage das Bundesamt für Strahlenschutz, das inzwischen zum Betreiber der Schachtanlage geworden war, mit dem Umbau zu einem "Bundesendlager" zu beginnen.

Auch das Bundesverfassungsgericht schloss sich dem OVG Lüneburg an. Am 21.2.2008 wies es die Klage der Stadt Salzgitter ab. In seiner Entscheidung stellte es fest: "Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzlich verfassungsrechtliche Bedeutung". Die Stadt Salzgitter ist im Hinblick auf die Einhaltung der Grundrechte nicht beschwerdefähig. Zudem sei das OVG alleine entscheidungsbefugt. Dem klagenden Landwirt wurde höchstrichterlich bestätigt, dass er "kein Recht auf Nachweltschutz" habe.

Im Klartext heißt dies, dass der Langzeitsicherheitsnachweis noch von keinem Gericht geprüft worden ist.

 

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