Verabschiedung des Planungssicherstellungsgesetzes
im Bundestag ist eine tiefgreifende Beschädigung
von Demokratie und Umweltschutz


Blankes Entsetzen

vom Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz BBU

Mit blankem Entsetzen hat der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU) auf die Verabschiedung des Planungssicherstellungsgesetzes am späten Donnerstagabend (14.05.2020) im Bundestag durch CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reagiert. In einem parlamentarischen Verfahren, das nur als ein von Anfang an abgekartetes Spiel bezeichnet werden kann, hatten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD das Gesetz durchgepeitscht.

Kernpunkt des Planungssicherstellungsgesetzes ist die faktische Abschaffung des Erörterungstermins in allen relevanten umweltrechtlichen Verfahren, mindestens bis zum 31. März 2021. Dies ist ein schwerer, nicht zu rechtfertigender Eingriff in die demokratischen Rechte der Bevölkerung und in das Umweltrecht. So können umstrittene Großprojekte ohne eine effektive Bürgerbeteiligung durchgesetzt werden.

Um die Bedeutung von Erörterungsterminen zu unterstreichen, bei denen die Einwendungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Umweltverbänden und anderen Organisationen gegen konkrete Planungsvorhaben bisher immer wieder intensiv mit Genehmigungsbehörden und Antragstellern erörtert wurden, erinnert der BBU an zahlreiche Erörterungstermine. So gab es zum Beispiel stark besuchte und mehrtägige oder gar mehrwöchige Erörterungstermine zum Beispiel zur Atommüll-Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Wackersdorf (die letztlich nicht gebaut wurde), zum Atommüll-Lager Schacht Konrad oder zum Bahnprojekt Stuttgart 21. Noch in der jüngsten Zeit beteiligten sich Mitglieder des BBU zum Beispiel an Erörterungsterminen zum Atommüll-Lager Ahaus sowie an Erörterungsterminen zu Chemieanlagen in Gütersloh, Darmstadt und Mainz.

Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des BBU erklärt: "Im Windschatten der Corona-Krise schafft die Große Koalition in Windeseile Beteiligungsmöglichkeiten im Umweltrecht ab. Statt Verfahren, bei denen ein Erörterungstermin stattfinden kann oder muss, bis zum 30.9.2020 auszusetzen und dann die Pandemielage zu beurteilen, werden die Behörden ermutigt, Erörterungstermine ausfallen zu lassen oder eine völlig sinnentleerte Online-Konsultation durchzuführen. Die Corona-Krise wird offensichtlich dazu benutzt, die Interessen der Industrieverbände zu befriedigen, die schon immer gegen eine effektive Bürgerbeteiligung waren."

Dass der Umweltbewegung keine Chance gelassen werden sollte, ihre Positionen zu vertreten, wird an der strategischen Zeitplanung deutlich. Der erste Entwurf des Gesetzes wurde den Verbänden am Freitag, den 24.4.2020 gegen 16.00 Uhr übermittelt. Die Abgabefrist war Montag, der 27.4.2020, 12.00 Uhr mittags. Durch die Fristsetzung machte die Bundesregierung bereits deutlich, dass Stellungnahmen unerwünscht sind. Mit Datum vom 5.5.2020 brachten CDU/CSU und SPD eine noch einmal verschlechterte Version des Gesetzentwurfes ein, der zur Sitzung des Innenausschusses am 13.5.2020 eine weitere Verschlechterung erfuhr. Auf dieser Sitzung wurde beschlossen, dass es die sonst übliche Sachverständigenanhörung zu derartig schwerwiegenden Gesetzen nicht geben wird. Ein Antrag der LINKEN auf Durchführung der üblichen Sachverständigenanhörung wurde nicht nur von CDU/CSU und SPD abgelehnt. Entscheidend waren vielmehr die Enthaltungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, die dam verhinderten, dass das notwenige Quorum von 25% erreicht wurde. Damit haben sich auch FDP und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN eindeutig gegen die Interessen der Umweltbewegung gestellt. Denn Vertreter aus der Umweltbewegung bekamen durch den Wegfall der Sachverständigenanhörung gar nicht die Chance, dort ihre Position darzulegen.

Am späten Abend des 14.5.2020 stimmten CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für das Planungssicherstellungsgesetz. Diese Verabschiedung im Bundestag beschädigt die Demokratie tiefgreifend und wird fatale Auswirkungen auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen haben. Die Interessen der Umweltschutzbewegung wurden von der Linksfraktion unterstützt.

Heute (15.05.2020) soll der Bundesrat abschließend über das Planungssicherstellungsgesetz entscheiden. Im Vorfeld haben rund 50 Bürgerinitiativen und Umweltverbände ihren Protest in einer gemeinsamen Erklärung bekundet.

Hier der Wortlaut der gemeinsamen Erklärung der fast 50 Organisationen:

Am 7. Mai 2020 hat im Bundestag die erste Lesung zum drohenden "Planungssicherstellungsgesetz" stattgefunden. Es soll bereits am 15. Mai 2020 vom Bundesrat verabschiedet werden.

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise sollen die Behörden geradezu gesetzlich ermutigt werden, Erörterungstermine in eine völlig wirkungslose Online-Konsultation umzuwandeln oder – je nach Gesetz - ganz entfallen zu lassen. Die auch möglichen Telefon- bzw. Videokonferenzen verdienen diesen Namen nicht, da diese keinen Erörterungstermin in elektronischer Form darstellen, sondern nur die Online-Konsultation in mündlicher Form. Betroffen sind fast alle zentralen Bereiche des Umweltrechts, beispielsweise das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Bundes-Berggesetz und das Atomgesetz. Das Planungssicherstellungsgesetz soll weitgehend bis zum 31. März 2021 gelten. Wie sich die Übergangsregelung auswirkt, die das Außerkrafttreten des gesamten Gesetzes auf den 31.12.2025 terminiert, ist völlig unklar. Wir kritisieren, dass so im Windschatten der Corona-Krise umstrittene Großprojekte genehmigt werden können, ohne dass die Öffentlichkeit und die Umweltverbände wirksam Einfluss nehmen können. Wir fordern stattdessen, Genehmigungsverfahren, in denen ein Erörterungstermin stattfinden kann oder muss, bis zum 30.9.2020 auszusetzen und nach einer dann aktuellen Lagebeurteilung über zukünftige Schritte zu entscheiden. Dies hat der BBU bereits im Rahmen der schriftlichen Anhörung zum Gesetzentwurf dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in einer Stellungnahme mitgeteilt.@

 

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