Warum wir auf Braunkohle- und Atommeiler sofort verzichten können

Sofortausstieg ist möglich!

von Anika Limbach, antiAtomBonn

Können wir die restlichen Atomkraftwerke und die Braunkohlekraftwerke in Deutschland wirklich gleichzeitig abschalten, und zwar sofort? Würde das nicht auf Kosten der Versorgungssicherheit gehen? Würde der Strompreis für die Normalverbraucher dann nicht sprunghaft ansteigen – genauso wie der Stromimport?

Wenn man sich die Fakten genau anschaut, fällt die Antwort eindeutig aus: Ja, wir können sofort auf deutschen Atom- und Braunkohlestrom verzichten. Und nein, das hätte keine negativen Auswirkungen (außer für die Energiekonzerne).

Wenn diese Aussage immer noch grundsätzlich in Zweifel gezogen wird – sogar von BefürworterInnen der Energiewende – dann liegt das an der offensichtlich erfolgreichen Strategie einer hoch bezahlten Lobby. Wie die Energieexpertin Claudia Kemfert in ihrem neuen Buch klarstellt, wurde das Mantra eines angeblich drohenden Blackouts so lange in der Öffentlichkeit wiederholt, bis die Allgemeinheit davon ausgehen musste, dieses „Argument“ sei stichhaltig. De facto aber gab es nie zuvor in Deutschland einen solchen Stromüberschuss wie heute. Nie zuvor waren so viele Großkraftwerke für die Stromversorgung so überflüssig wie heute. Während der Netto-Stromexport im Jahr 2010 noch 15 TWh betrug, überschritt er 2016 die Grenze von gigantischen 50 TWh!

    Wie viele Kraftwerke
    sind überflüssig?

Um genau zu prüfen, wie viele stromerzeugende Anlagen für eine gesicherte Stromversorgung tatsächlich notwendig sind, reicht es nicht aus, sich nur den Strommix anzuschauen. Denn darin ist nur der real erzeugte Strom abgebildet, nicht aber die Gesamtmenge des Stroms, die bei Nutzung aller Kapazitäten hätte produziert werden können. Pumpspeicher- und vor allem Gaskraftwerke zum Beispiel liefern oft nur Strom, um mögliche Lücken zwischen Stromverbrauch und -erzeugung zu füllen, das heißt über lange Strecken stehen sie still. Im Strommix sind sie deshalb unterrepräsentiert. Anders verhält es sich bei Betrachten der Kraftwerksliste, die jedes Jahr von der Bundenetzagentur aktualisiert und online veröffentlicht wird:

    Strombilanz März 2017

Für so eine Bilanz wird üblicherweise ein Extremfall angenommen, der im Grunde nur theoretisch auftritt – der Fall, dass beim denkbar höchsten Stromverbrauch in Deutschland (der Jahreshöchstlast) die Sonne nicht scheint, der Wind nicht weht, Wasserkraft- sowie Biomasse- und Biogasanlagen nur reduziert Strom erzeugen und darüber hinaus die gesamte Reserveleistung gebraucht wird. Selbst dann gäbe es ohne AKW noch eine Überkapazität von 23,9 GW! Das ist sogar mehr als die installierte Leistung noch laufender Braunkohlekraftwerke.(Es sei hier erwähnt, dass wir die „vorläufig stillgelegten Kraftwerke“ von insg. 3,6 GW – überwiegend Gaskraftwerke – mitgezählt haben. Bei einem Wegfall aller Atom- und Braunkohlekraftwerke könnten sie schnell wieder in Betrieb genommen werden.)

Die jährliche Bilanz der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) wird auf ähnliche Art erstellt. Um der Fragestellung der Machbarkeit eines Atom- und Kohleausstiegs nachzugehen, ist sie als Datengrundlage jedoch ungeeignet. So werden in der Bilanz mehrere Gaskraftwerke unter den Teppich gekehrt, der Beitrag von EE bewusst unterschätzt und der Spitzenverbrauch zu hoch angesetzt. Es verwundert nicht, dass in den letzten Jahren die Prognose immer deutlich von den tatsächlich Zahlen abwich. Vermutlich steckt Absicht dahinter. Denn mit ihren zurecht gebogenen Prognosen versuchen die ÜNB den Bau von Stromtrassen zu rechtfertigen, der für sie ein lukratives und risikoarmes Geschäft ist.

    Strompreis und Stromtrassen?

Durch den Kapazitäts-Überschuss fallen die Preise an der Strombörse kontinuierlich und seit Jahren. Nur für die Endverbraucher wurde Strom immer teurer, wofür die Erneuerbaren Energien allerdings am wenigsten verantwortlich sind. Besonders in den letzten Jahren hat auf dem Stromsektor eine riesige Umverteilung zulasten der Normalverbraucher und zugunsten von Konzernen und Industrie stattgefunden. Hauptverursacher der stetigen Preiserhöhungen sind

  1. die Stromversorger selbst (die den immer niedrigeren Börsenstrompreis nicht an die Endkunden weitergeben)
  2. die ungerechten Entlastungen stromintensiver Unternehmen und
  3. die hohen Netzentgelte.

Darüber werden nicht nur die Instandhaltung der Netze bezahlt, sondern zum Beispiel auch unnötige Reservekraftwerke oder der Bau neuer Stromautobahnen. Für die Energiewende sind Letztere nicht notwendig, im Gegenteil. Mit dem Abschalten von Atom- und Braunkohlekraftwerken gäbe es im Netz wieder mehr Platz für die Erneuerbaren. Solche Absurditäten wie das Abregeln von Windkrafträder wären dann passé.

Die Zukunft liegt in regionalen, intelligenten Netzen und dezentralen Speichern. Je mehr diese zum Zuge kommen, desto überflüssiger werden geplante Stromtrassen, ja sogar bereits bestehende Übertragungsnetze.

    Wir sind erst am Anfang der Energiewende

Auch mit Stilllegung der Atom- und Braunkohlekraftwerke wäre die Energiewende höchstens zur Hälfte vollzogen. Es könnte allerdings zügig weitergehen: Würden wir konsequent und systematisch Strom einsparen sowie verstärkt Speicher, Smart Grid und Lastmanagement einsetzen, könnten wir relativ schnell auch auf den Rest konventioneller Kraftwerke verzichten.

Eine vollständige Energiewende muss aber ebenfalls den Wärme- und Verkehrssektor erfassen und von einer Agrarwende begleitet werden. Ohne Frage stehen dabei die politisch Verantwortlichen als erstes in der Pflicht. Dennoch: Ohne einen breiten Wandel des Bewusstseins und unserer aller Gewohnheit, Ressourcen zu verschwenden, wird es nicht gehen. @

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