Durch atomare Abschreckung Krieg verhindern und Frieden sichern?

Trügerische Sicherheit

von Xanthee Hall, IPPNW

Die atomare Abschreckung dient seit dem Zweiten Weltkrieg als Eckpfeiler der Sicherheitsdoktrin der Atomwaffenstaaten und ihrer Verbündeten. Viele glauben, sie hätte einen Angriff auf den eigenen Staat oder sogar einen Dritten Weltkrieg verhindert.

Das ist aber nicht nachweisbar. Während keiner der Atomwaffenstaaten selbst angegriffen wurde, waren alle in Kriege verwickelt und haben sie manchmal sogar verloren, trotz ihrer Atomwaffen. Zahlreiche Stellvertreterkriege etwa in Latein- und Südamerika und in Afrika wurden geführt. Zahlreiche Nationen, die nicht im Besitz von Atomwaffen waren, wurden angegriffen.

Es gibt also immer mehr Zweifel, ob die Abschreckungsdoktrin funktioniert – Insbesondere gegenüber einem verzweifelten Regime, religiösen Extremisten oder terroristischen Gruppen. Eine Drohung mit Atomwaffen unter solchen Umständen scheint absolut nutzlos zu sein.

Und: Staaten, die sich nicht unter dem Schutz einer atomaren Macht wähnen, greifen zur Absicherung der eigenen Sicherheit ebenfalls nach der nuklearen Bombe: Die Abschreckung führt zu immer mehr Atomwaffenländern.

Atomwaffen selbst
sind unsere größte
Bedrohung

Die Strategie der Abschreckung geht nicht auf. Die Atombomben sollen unsere Versicherungspolice vor feindlichen Angriffen sein – falls Diplomatie oder andere Formen der Kriegsvorbeugung versagen. Aber: Atomwaffen selbst sind die größte Bedrohung für die Sicherheit auf unserer Erde. Wie Isaac R. Raabi, Physiker und Augenzeuge des ersten Atombombentests sagte: "Plötzlich war der morgige Tag der Tag des jüngsten Gerichts, und so ist es geblieben".

In den Hochzeiten der atomaren Abschreckung waren allein in Westeuropa 7300 US-Atomwaffen stationiert. In Westdeutschland lagerten tausende Atomsprengköpfe in mehr als hundert Depots. Und auch die DDR war voll mit sowjetischen Atomraketen. Eine extrem unsichere Situation in der die Welt mehrfach nur knapp einer atomaren Katastrophe entkommen ist, etwa in Kuba 1962 oder bei Unfällen wie in Heilbronn 1985.

    Gefahren

Die Strategie der atomare Abschreckung birgt folgende Gefahren:

  • Gefahr eines unbeabsichtigten oder beabsichtigten Einsatzes;
  • Die Weiterverbreitung von Atomwaffen, weil andere Staaten diese Politik nachahmen;
  • Die Existenz von Atomwaffen und radioaktivem Material fördert den Atomschmuggel und die Herstellung schmutziger Bomben; sie spielt Terroristen in die Hände;
  • Sie erzeugt Druck, die Atomwaffenarsenale zu modernisieren und das Wettrüsten weiter voran zutreiben;
  • Sie bewirkt eine instabile und feindliche Einstellung zwischen den Staaten und verhindert damit eine Zusammenarbeit für wirkliche Sicherheit;
  • Die Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen führt zu Gesundheits- und Umweltschäden;
  • Atomwaffen gefährden die ganze Welt, nicht nur einen Staat. Sie verletzen damit das humanitäre Völkerrecht.

    Unbeabsichtigter Einsatz

Bis heute werden ca. 1500 Atomwaffen ständig in höchster Alarmbereitschaft gehalten. Sie werden automatisch gestartet, wenn ein atomarer Angriff des Gegners gemeldet wird. Ein Fehler im Frühwarnsystem kann zu einer versehentlichen "Antwort" auf einen gar nicht existenten Angriff führen. In einem solchen Fall gibt es nur wenige Minuten, um festzustellen, ob ein Fehler vorliegt (Beispiel: Beinahe-Atomkrieg durch eine norwegische Forschungsrakete am 25. Januar 1995, die von den Russen missinterpretiert wurde). Gewollter Einsatz

Die Abschreckung beruht auf der "glaubwürdigen" Drohung eines Einsatzes von Atomwaffen. Im Ernstfall möchte man einem Angriff des Gegners zuvor kommen. Das heißt, dass in einem schwerwiegenden Konflikt, eine Partei zu der Überzeugung gelangen kann, dass dieser Zeitpunkt nun gekommen ist: Der Zeitpunkt mit Atomwaffen anzugreifen, bevor die Gegenseite ihre Atomwaffen einsetzt. Allein die Existenz von Atomwaffen, Beispiel Kuba-Krise, provoziert solche Gedanken. Die USA und Russland verfolgen nach wie vor diese Politik des Ersteinsatzes von Atomwaffen.

Auch die neue Strategie der "Counterproliferation" setzt einen vorbeugenden Ersteinsatz voraus. Counterproliferation bedeutet, dass die Atomwaffenländer mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln verhindern wollen, dass ein anderes Land Atomwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen (chemische oder biologische Waffen) erwirbt.

    Der Atomschmuggel

In den 90er Jahren häuften sich die Berichte über illegale Transfers kleiner Mengen von Spaltmaterialien. Zumeist stammten diese Materialien aus der ehemaligen Sowjetunion, deren Zusammenbruch den Atomschmuggel ermöglichte. Aus Unwissenheit oder aus Gier gefährdeten die Akteure beim Transport von ungeschützten radioaktiven Materialien sich selbst und andere. Aber auch Behörden riskierten bei der Aufdeckung des Atomschmuggels Leben und Gesundheit von Unbeteiligten. Die IPPNW zeigte 1994 das BKA an, weil aufgrund der Order eines V-Mannes Plutonium in einem Zivilflugzeug nach München transportiert worden war. Ein Flugzeugabsturz hätte nicht nur die Fluggäste in Gefahr gebracht, sondern alle Einwohner Münchens. Die Terrorgefahr

Heute kommt noch das Problem des Terrorismus hinzu. Die bloße Existenz von Atomwaffen und radioaktivem Material ist eine Einladung für Terrorgruppen oder terroristische Staaten, sie für Ihre Zwecke zu nutzen. Der Bau einer schmutzigen Bombe etwa rückt in greifbare Nähe. Das Plutonium, das wir im Namen der Abschreckung zum Bau von Atomwaffen erbrütet haben, kursiert - und bedroht nun uns selbst.@

aus: atomwaffena-z.info

 

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