Nr. 240    Erscheinungtermin: 10.03.2014
Fukushima - vom Versuch, einen strahlenden Normalzustand zu etablieren

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56 Seiten
März 2014
Preis: 3,00 EUR



 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis

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    Zirkonium schmilzt bei einer Temperatur von 1857°. Das Schwermetall wird immer wieder gern genommen als Hauptbestandtteil von Hüllrohren für Brennelemente in Leichtwasserreaktoren. Die Brennstoff-Tabletten selbst schmelzen bei einer Temperatur von 2850°. Die Steuerstäbe tropfen bei 1450° weg, bei 2250° die Strukturelemente. Und so weiter.

    Es gibt Literatur in großem Umfang zu dem Themenkomplex: was passiert eigentlich bei einer Kernschmelze? Materialkundler listen Eigenschaften auf, Chemiker beschreiben Reaktionen, Physiker quantifi zieren Schadensereignisse, Nukleartechniker prognostizieren Freisetzungen. All diesen Texten gemeinsam ist, dass sie sich im Spekulativen bewegen, sobald es sich um konkrete Fälle handelt. Windscale war so ein Fall, Harrisburg und Tschernobyl waren andere, die bekannt sind. Daneben gibt es ein gutes Dutzend weiterer Fälle, die in detailfreudiger Ratlosigkeit behandelt werden.

    Denn wenig Konkretes wird geliefert an Handreichung, was denn zu tun wäre, wenn die rote Lampe brennt. Da heißt es allenfalls noch Kühlenkühlenkühlen! - sofern das möglich ist. Und unter bestimmten Umständen ist das genau das Falsche. Ansonsten bleibt Warten und Hoffen, dass sich die Sache gibt, irgendwie. Im Fall des Falles spielen soviele Faktoren eine Rolle, dass sich selbst im Nachhinein nur annähernd rekonstruieren lässt, was genau an Fürchterlichem sich abgespielt hat.

    In Fukushima ist selbst das noch nicht möglich. Dort werden Verfahren getestet, mit deren Hilfe überhaupt erst einmal lokalisiert werden soll, was da in den Ruinen vor sich hinbrodelt. Kosmische Teilchen sollen zeigen, ob der Ofen tatsächlich schon aus ist. Was ist die Konsequenz aus all diesen Desastern? Sie machen weiter! Die Techniker der Atomwirtschaft konstruieren hitzefeste Auffangwannen, die bei einem nächsten Super-Gau dafür sorgen, dass sich das Katastrophen-Management etwas überschaubarer gestaltet. Der Fachbegriff dafür ist "inhärente Sicherheit". Sicherer melt down, aber händelbar.

    Die Techniker der Macht konstruieren Normalität. Sie bedienen sich der Arroganz des Faktischen; die Auffangwannen dafür heißen Dekontamination und Desinformation. Und Spiele - Olympische zum Beispiel. Es ist nicht leicht, bei aller Wut über soviel Zynismus die Betroffenen nicht aus den Augen zu verlieren. Trotzdem!

    ciaaao


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