Die Schäden aus dem Abbau von Uran zu beheben ist immens teuer und eine Aufgabe, die nie zu Ende geht.

Regenbogenschlange:
Uran, Lithium & co


von Günter Wippel

Zum 15.4.2023 wurden die letzten 3 AKWs in der Bundesrepublik abgeschaltet; gehen wir mal davon aus, dass dies endgültig ist und auch so bleibt. Damit hat sich für die Bundesrepublik die Frage des Bezugs von Uran für die Stromerzeugung erledigt. Durchaus virulent bleiben andere Themen, die den Kernbrennstoff Uran betroffen.

    Ewigkeitslasten aus dem Uranbergbau

Auf dem Gebiet der – wiedervereinigten – Bundesrepublik liegt seit 1990 das ausgedehnte Uranbergbau-Revier der SDAG WISMUT. Nach bisher ausgegebenen rund 7 Milliarden Euro Sanierungskosten sind die Tagebaue inzwischen zugeschüttet; die Abraumhalden sind teils abgetragen und umgesetzt, teils 'saniert' – das heißt: mit diversen Lagen abgedeckt und begrünt. Bewohnbar werden diese Halden nie wieder sein, und Landwirtschaft oder ähnliches kann dort im Bereich der Halden und der ehemaligen Tagebaue auch nie wieder stattfinden. Wie dies an zukünftige Generationen kommuniziert werden soll, ist nur eine der offenen Fragen.

2021 genehmigte das Bundeswirtschaftsministerium den Sanierungsplan für die Wismut für die kommenden 30 Jahre (also bis ca. 2051) Kostenpunkt: 2,1 Mrd Euro; nicht darin enthalten sind die Kosten für Entschädigungen an ehemalige Wismut-Arbeiter*innen.

Die bisherigen Sanierungsarbeiten sind nur der erste große Schritt. "Es bleibt noch viel zu tun", heißt es in einer Zusammenfassung des Kirchlichen Umweltkreises Ronneburg; eine Studie aus dem Jahr 2021 listet auf, was als Ewigkeitsaufgabe zu bewerkstelligen bleibt: die Abdeckungen sind permanenter Erosion und nicht vorhersehbaren Naturereignissen ausgesetzt; ohnehin sind sie nie ganz dicht. Wie hoch und wie gesundheitsgefährdend Emissionen über Gas- und Wasseraustritt sind, wird auf unübersehbar lange Zeit zu überprüfen sein. Völlig unzureichend ist geklärt, wer dafür auf Dauer die Verantwortung übernimmt.

Die Gewinnung von Uran für deutsche AKWs war in den 1960er Jahren als wesentliche Aufgabe erkannt worden; die Bundesregierung förderte im wesentlichen zwei Unternehmen, die 'Uranerz-Bergbau' und die 'Urangesellschaft' mbH ("UG"). Deren Tochtergesellschaften suchten weltweit nach Uranvorkommen, um den begehrten Rohstoffe für die aufstrebende deutsche Atomindustrie zu sichern. Das Muster war klar: Da (West-)Deutschland nur geringe Uranvorkommen hat, muss der Rohstoff aus anderen Teilen der Welt beschafft werden.

Ein 'indianischer' Freund aus Nordamerika brachte es angesichts der Kolumbus-Tages so auf den Punkt: "Kolumbus kam nach Amerika – und was er fand, war Uran." Natürlich wusste er genau, dass 1492 niemand wegen Uran unterwegs war – sein Statement galt dem Muster: damals suchten die Herrscher Gold, um ihre Kriege in Europa weiter zu finanzieren, später traten andere Rohstoffe an dessen Stelle: zum Beispiel Kautschuk aus dem Amazonasgebiet, Mineralien aus (damals Belgisch-) Kongo, und so weiter – und nach 1935, der ersten künstlichen Atomspaltung, eben auch Uran.

    Das Uran für deutsche AKWs kam aus dem Ausland ...

Über Jahrzehnte hat Deutschland Uran aus anderen Ländern importiert: aus Kanada, USA, Namibia, Südafrika – und aus Russland; Länder, in denen war es oft unter mehr als fragwürdigen Umständen abgebaut wurde.

Die Uranerz-Bergbau zum Beispiel entdeckte ein großes Uranvorkommen in Norden der kanadischen Provinz Saskatchewan (Key Lake) – und baute Uran über Jahre dort ab. Die Landrechte der indigenen Bevölkerung wurden übergangen, die Bundesregierung ordnete die Verantwortlichkeit dafür den kanadischen Behörden zu. Die Umweltstandards und die Arbeitsbedingungen entsprachen keineswegs dem, was in der Bundesrepublik üblich gewesen wäre, und häufig – insbesondere im afrikanischen Kontext – gibt es zwar gesetzliche Reglungen, aber sie werden nicht umgesetzt.

    ... und Millionen Tonnen Abraum bleiben dort

Die Atomindustrie hebt gerne lobend die 'hohe Energiedichte' von Uran hervor – lässt aber geflissentlich unerwähnt, dass angesichts der geringen Konzentration von Uran im Gestein bei den derzeit abgebauten Vorkommen (0,05% - 0,01%) eine 1.000 bis 10.000-fache Menge an radioaktivem und toxischem Abraum für 1 Tonne Uran ('yellowcake') anfallen – die in den Abbauländern verbleibt, oft nicht saniert, und damit die Umwelt auf lange Zeit kontaminiert.

So wurden Sanierungsarbeiten in den kanadischen Uranbergwerken erst 40 Jahre nach deren Schließung begonnen – bis dahin kontaminierte der Abraum die Umwelt; in anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Da es aber "nur" die im Norden lebende indigene Bevölkerung betraf, war das Interesse an Aufräumungsarbeiten gering. Indigene – und andere Marginalisierte – sprechen daher von 'Umwelt­rassismus'.

Die Arbeitsbedingungen in den Uranbergwerken waren weltweit sehr schlecht. Strahlenschutz hat einen geringen Stellenwert – Vorrang hatte die Ausbeutung von Uran, zunächst für Atomwaffen, später für die kommerzielle Nutzung in AKWs. In den USA konnten die (ehemaligen) Uranarbeiter nach langem Ringen 1990 eine Entschädigungsregelung erreichen: den Radiation Exposure Compensation Act (RECA). Die Regelungen des Gesetzes werden zwar von Betroffenen als unzureichend bezeichnet, nur ungefähr die Hälfte der Antragsteller erhält eine Kompensation (von US$ 100.000), bislang wurde rd. 1 Mrd US$ ausbezahlt. Die Kumpel des ehemaligen ostdeutschen Uranbergbaubetriebs Wismut erhielten ebenfalls zum Teil Entschädigungen, auch hier wird die Regelung von Betroffenen als unzureichend bezeichnet. Rund 1 Milliarde Euro wurden bis 2021 an ehemalige Uranarbeiter *innen ausbezahlt.

Ganz anders sieht es in afrikanischen Ländern aus: In Niger, wo ORANO (früher AREVA) seit 40 Jahren Uran abbaut, gibt es keinerlei Entschädigungsregelungen – und nach Firmenaussagen auch keine Gesundheitsschäden. In Namibia baut der britische Konzern Rio Tinto seit 35 Jahren Uran ab; mehrere Anläufe, Entschädigungen für Gesundheitsschäden zu erreichen, wurden vom Unternehmen abgeschmettert. Jetzt gehört der Bergbaubetrieb der chinesischen CNNC – was die Durchsetzung von Entschädigungen nahezu unmöglich machen dürfte.

Es bleibt die Frage, ob Gesundheit und Leben durch Geldzahlungen wirklich 'kompensiert' werden können. Offen bleibt auch, ob radioaktive Kontamination generationenübergreifend wirkt: eine Gesundheitsstudie von 20XX ?? zeigte auf, dass Neugeborene indianischer Frauen eine hohen Konzentration von Uran im Blut aufwiesen – ohne dass sie jemals selbst mit dem Stoff in Berührung gekommen waren. Opfern 'wir' damit vielleicht die Gesundheit künftiger Generationen bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblicken?

In den 1990er Jahren hat sich die Bundesrepublik hat von sämtlichen, ehemals stark staatlich geförderten Aktivitäten im Bereich Uran/-beschaffung getrennt, und die Unternehmen verkauft, zum Beispiel an die französische COGEMA / spätere AREVA, jetzt ORANO.

    Die Schatten der Vergangenheit

Ein Beispiel dafür, welche Folgen frühere deutsche Aktivitäten bis in die heutige Zeit nach sich ziehen, ist im hohen Norden Kanadas zu finden: die deutsche Urangesellschaft (UG) – damals unterstützt von der Bundesregierung – entdeckte ein Uranvorkommen bei Baker Lake, damals Nord-West-Territorien, und wollte es abbauen. Die Inuit der Region wehrten sich heftig gegen das Projekt; der Uranpreis war niedrig, die technischen Probleme groß, und so gab die UG das Vorhaben auf.

Als sich die Bundesregierung in den 1990er Jahren von den Uranunternehmen trennte, fiel beim Verkauf der UG das Baker Lake Vorkommen an die französische COGEMA (spätere AREVA). Diese startete in Kiggavik – wie das Projekt inzwischen umbenannt worden war – einen erneuten Versuch, Uran abzubauen; die Inuit Bevölkerung lehnte auch diesmal das Uranbergbau-Vorhaben ab. Joan Scottie, eine der Inuit-Aktiven, dokumentierte, die Geschichte im Buch "I will live for both of us ...". Mit dem derzeit steigenden Uranpreis kommt allerdings erneut Interesse am Abbau des Vorkommens auf ...

Das koloniale Muster dieser Art, sich mit Energie zu versorgen, ist deutlich: Menschen in anderen Ländern tragen die Kosten und Lasten unseres Wohlstandes beziehungsweise unserer Art, zu leben. Und: die Uranbergbau-Unternehmen schlossen häufig ihre Betriebe und verabschiedeten sich – und die Kosten der Sanierung ihrer Hinterlassenschaft trägt die Allgemeinheit, sprich der Steuerzahler.

    ... und die Zukunft

Seefahrer wie Kolumbus sollten Rohstoffe für die heimische Wirtschaft finden. Diesem Muster blieb die westliche Zivilisation bis heute treu. Wenn nun deutsche Minister, zum Beispiel Habeck und Özdemir, nach Brasilien reisen, um 'grünen' Wasserstoff für die deutsche Wirtschaft zu sichern, oder mit Namibia einen Wasserstoff-Liefervertrag schließen, nach Lithium und anderen Mineralien suchen, droht sich die alte Verfahrensweise fortzusetzen: Rohstoffe aus anderen Ländern für die heimische Wirtschaft sichern – und die damit verbundenen Nachteile diesen Ländern zu überlassen.@

 

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