Eine Reflektion zu gewonnenen / verlorenen Kämpfen und zu einer sonnigen Zukunft

Lachen gehört zu unseren Kämpfen dazu

von Gertrud Selzer
und Roland Röder (Aktion 3 .Welt Saar)

Als anti-AKW Bewegung haben wir manche Kämpfe gewonnen und manche verloren. Dabei haben wir von Anfang an den Blick über den nationalen Tellerrand gerichtet und waren nie nur mit dem Verhindern beschäftigt.

    Wer oder was ist Remerschen?

Gewonnen hat die anti-AKW-Bewegung beispielsweise die Kämpfe um die Wiederaufarbeitungsanlagen in Gorleben und Wackersdorf oder um den Schnellen Brüter in Kalkar oder auch im weniger bekannten luxemburgischen Remerschen, an der Mosel liegend, die Luxemburg von Deutschland trennt. In Remerschen wollten die Luxemburger Sozialdemokraten in den 1970ern ihren technologischen Wallfahrtsort der nationalen energiepolitischen Autarkie schaffen, was ihnen aber die stärker werdende anti-AKW Bewegung "im Ländchen", aber auch in Frankreich und in Deutschland vermasselte. Immerhin, sie lernten schneller als andere Sozialdemokraten in Europa und verabschiedeten sich recht zügig von dem geplanten Unfug.

Ein "sicheres" AKW in Deutschland gab es in Mülheim Kärlich bei Koblenz: Nachdem es 1986 kurz vor der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl langsam in Betrieb ging, wurde 1988 nach 100 Tage Regelbetrieb die Stilllegung erzwungen wegen der Lage in einem erdbebengefährdeten Gebiet. 2018 begannen die Abrissarbeiten, die bis Ende dieses Jahrzehnts dauern werden. Jahrzehntelang waren der Kühlturm und die Reaktorkuppel ein Mahnmal aus Beton.

Verloren haben wir die Kämpfe in Brokdorf, Grohnde oder im französischen Cattenom mit seinen vier 1.300 MW Blöcken, deren erster 1986 kurz nach der Katastrophe in Tschernobyl in Betrieb ging. In den gewonnenen wie verlorenen Kämpfen haben wir uns als Teil der neuen sozialen Bewegungen gezofft, gestritten und wieder zusammengerauft. Letztlich ließen wir uns auch entlang der leidigen Gewaltfrage nicht auseinanderdividieren. Unsere Stärke war unsere Vielfalt, ohne dies mit Beliebigkeit gleichzusetzen.

    Alternativen geschaffen

Während die Bewegung sehr früh mit "Atomkraft NEIN DANKE" den sprachlichen wie optischen Eye-Catcher hatte – ein Volltreffer für jede strategische Kommunikation - der sich breitenwirksam in die Köpfe hineinschlich, entwickelten sie von Anfang an auch energiepolitische Alternativen: Zum einen zu der Frage ob Energie zentral oder dezentral erzeugt werden soll und zum anderen mit den "neuen Brennstoffen" wie Sonne, Wind oder bedingt auch Biomasse. Wir haben dafür über die Jahre hinweg bis heute die politischen, finanziellen, wissenschaftlichen und gesetzlich-strukturellen Voraussetzungen geschaffen. Und so ganz nebenbei haben wir auch noch in Deutschland und in anderen Ländern eine grüne Partei hervorgebracht. Allerdings waren wir klug genug, unsere "ökologische Befreiung" bestenfalls in Maßen in Richtung Staatlichkeit stattfinden zu lassen und vermieden es, in diesem staatlichen Angebot, was eine Partei nun mal ist, aufzugehen – zumindest nicht komplett. Die Gründung der Grünen begleiteten wir mal konstruktiv, mal distanziert mal ablehnend, weil der Parlamentarismus fremdes Terrain ist und es zwischen Bewegung und Partei (leider) einen massiven einseitigen Ressourcentransfer gab und gibt.

    Die internationale Kette

All dies geschah gezwungenermaßen international, auch wenn wir uns als anti-AKW Bewegung damit meist schwertaten. Der Bau von AKWs ist nie eine nationale Angelegenheit gewesen. Angefangen über den energieintensiven wie umweltschädlichen Uranbergbau in Australien, Russland, Namibia, Kanada, Kasachstan, Niger, Usbekistan und USA, über den Transport und die Verarbeitung uranhaltigen Gesteins zu Brennstäben über viele Ländergrenzen hinweg, über die internationale Forschung, bis hin zur Fiktion eines sicheren Endlagers wie im lothringischen Bure, ist es eine Lieferkette um den Globus herum und wieder zurück. In dieser Kette kollabiert die Erzählung mancher vom klimaneutralen sauberen Atomstrom bereits auf ihrer ersten Stufe, dem Uranbergbau. Auch das Saarland spielte übrigens unter Oskar Lafontaine eine Zeitlang eine Rolle im Uranbergbau mit "Saarberg Interplan Uran GmbH", zog sich aber schlussendlich nach massiven außerparlamentarischen Protesten Anfang der 1990er daraus zurück. Schwer tun sich manche auch in unseren Reihen mit der kompromisslosen Ablehnung des iranischen Atomprogramms. Immerhin hat der Iran als Staat mehrfach angekündigt, einem anderen Staat – gemeint ist Israel – zu zerstören. Vor dem Hintergrund, dass in Teheran heute bereits keine Juden mehr leben, ist diese Drohung ernst zu nehmen und kann der dialogorientierten Haltung diverser Bundesregierungen und ihrer Außenminister:innen nicht seriös begegnet werden. Ebenso zeigt sich am Beispiel des Iran, dass die Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung nie etwas anderes als eine Fiktion war.

Zusätzlich müssen wir uns heute zwei Problemen stellen, die auch jede andere soziale Bewegung herausfordert

    1. AKW Revival

Atomenergie erlebt zumindest ein verbales Revival und wird ob der vermeintlichen CO² Freiheit als die ökologische Heilsbringerin gegen den Klimawandel präsentiert. Dies dockt an eine heute wieder verbreitete Technologiegläubigkeit an. Auf fast schon bizarre Weise liefert uns der Klimawandel ein auch für Technologieliebhaber nicht zu knackendes Argument gegen AKWs: Der gravierende partielle Wassermangel in Europa, der beispielsweise die Grande Nation, also Frankreich, heimsucht und in 2022 zu der bizarren wie amüsanten Situation führte, dass französische AKWs reihenweise ausfielen und stattdessen Ökostrom von den komischen Deutschen bezogen werden musste. Zugespitzt formuliert, hat die anti-AKW-Bewegung im letzten Jahr Frankreich vor dem Kollaps gerettet, denn ohne sie hätte es nie so viel Ökostrom in Deutschland gegeben.

    2.Erfahrungen aus sozialen Kämpfen vermitteln

Die Kampferfahrungen der anti AKW Bewegung vermitteln sich nicht auf Knopfdruck an nachfolgende Generationen. Was für Menschen, denen Begriffe und Orte wie Brokdorf, Grohnde, Wackersdorf, etc. etwas sagen selbstverständlich ist, ist es für "Jüngere" nicht automatisch. Diese Leerstelle lässt sich leider nicht mit einem neuen Punkt auf der Tagesordnung einer beliebigen Sitzung mal schnell konstruktiv und dialogorientiert lösen. Hinzu kommt die – damals wie heute – verbreitete ahistorische Herangehensweise an Konfliktthemen. Es war damals einfacher und ist es heute ebenso, so zu tun, als würde die ganze Politik, das Aufbegehren und der Einsatz für eine schönere Welt erst mit dem eigenen Tun beginnen. Diesen Erfahrungsschatz an Kämpfen wie Niederlagen über NGO und staatliche Archive der (bewegungsorientierten) sozialwissenschaftliche Forschung zugänglich zu machen, ist eine der zentralen Weichenstellungen, wenn "unsere" Ideen auch noch morgen wirkmächtig sein sollen.

    Was bleibt noch zu tun?

Die Forderung, die noch laufenden AKWs in der Welt sowie die Brennelementfabriken in Lingen und Gronau abzuschalten und zwar besser jetzt als gleich war damals wie heute richtig. Aber wir haben noch etwas gelernt, was uns hoffentlich nie mehr abhanden kommt: Lachen gehört zu unseren Kämpfen dazu.@

    Fußnote:
    Die Autor:innen verwenden öfter "wir" und "unser" und meinen damit jeweils die anti-AKW-Bewegung, deren Teil die Aktion 3.Welt Saar war und ist. Die Autor:innen sind Mitarbeiter:innen der Aktion 3.Welt Saar e.V., die sich 1982 gründete. Diese ist eine bundesweit arbeitende politische Organisation mit Sitz im Saarland. Eines von ihren 14 Themen ist die Auseinandersetzung mit der Atomenergie.
    Mehr unter www.a3wsaar.de
 

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