Helga Rinsky 18. Juli 2005

Hallo, liebe Helga,

es ist schwer zu fassen, dass Du nicht mehr da sein wirst. Du wirst uns fehlen, wie sehr, das werden wir wohl erst später ganz ermessen. Es ging alles so schnell. Jetzt sind wir erst einmal sehr sehr traurig.

Alle die Dich näher kannten, wußten um die sensible, zerbrechliche und oft erschöpfte Helga, die sich anderen nur selten öffnete oder sie an ihren Schwierigkeiten teilhaben ließ.

Aber da war auch die andere Helga, die es mit ruhiger Energie und Zielstrebigkeit verstand, der Atommafia das Leben schwer zu machen. Diese beiden Pole zusammen zu leben war gewiss nicht einfach.

Wenn es einen verlässlichen Fixpunkt im Kreis der Freundinnen, Freunde und den Mitkämpfern der Anti-Atom-Bewegung gab, dann warst Du es. Beharrlichket an der Aufgabe, die Du Dir gestellt hattest, Beharrlichkeit ist das Schlüsselwort, das in den letzten Tagen, wenn die Rede von Dir war, am häufigsten fiel.

Als es in Bremen in der zweiten Hälfte der 70er Jahre begann, tatsächlich so etwas wie eine Massenbewegung gegen Atomenergie zu werden, warst du von Anfang an dabei und mittendrin. In Lichtenhorst, Brokdorf und wer weiß noch wo. Das war eine aufregende Zeit für uns alle in der viele Menschen ganz neue Erfahrungen machten, Erfahrungen mit der Staatsgewalt, von Solidarität untereinander, ebenso wie mit heftigen Diskussionen über richtige oder falsche politische Strategien. Irgendwann in den 80igern verabschiedeten sich viele vom Thema und wandten sich anderen Problemen zu oder privatisierten. Nicht Du.

Niemand hatte Deinen Zusammenbruch 1989 kommen sehen, niemand merkte Dir wirklich an, wie es Dir ging. Umso bewundernswerter, wie Du Dich wieder aufgerappelt und was Du seither geleistet hast. Es sind ja nicht nur Deine lokalen Aktivitäten gegen das Zwischenlager von Esenshamm. Ohne Dich und Deine Energie hätte es auch die bundesweite Bewegung gegen die Atommüll-Zwischenlager wohl nicht gegeben.

Und dass es mit der Aktion Z diese seltene Widerstandsallianz von landwirten, Lehrern, einigen widerständigen Politikern und alten AKW-Kämpfern in der Wesermarsch gibt, ist zu einem großen Teil Dein Verdienst. 70 Prozent der Bevölkerung sprachen sich gegen den Bau des Zwischenlagers aus. Von solchen Ergebnissen hatten wir in den 70iger Jahren nur geträumt.

Du hast dort aber nicht nur investiert, sondern auch Energie und Begeisterung geschöpft. Du sagtest einmal: „Da bin ich wer!“ Und das war auch so. Und darauf warst Du zu Recht stolz. Dabei hast Du es nie darauf angelegt, persönliche Meriten zu erwerben. Du hast keine Belohnungen erwartet.

Ich denke, dass die Menschen, mit denen Du dort zusammengearbeitet hast ermessen, wie wichtig Du warst und dass sie die Arbeit in Deinem Sinne fortsetzen.

Ich weiß nicht mehr, wieviel Zeit wir in den vergangenen 28 Jahren - tatsächlich, so lange sind wir dabei - miteinander verbracht haben, wie oft wir nach Gorleben oder anderswohin gefahren sind, wie oft Du mich erinnertest und fragtest: „Fährst Du zur Demo?“ Mir ging es wie vielen von Euch: diese Deine Ausdauer und Beharrlichkeit hatte ich letztlich nicht.

Du fuhrst oft mit großen Ängsten, denn die häufigen Auseinandersetzungen konntest Du psychisch kaum aushalten. Aber Du fuhrst. Du bist der Widerstand gewesen, auf Deine ganz besondere Art.

Für die Grünen hast Du energiepolitisch gearbeitet und bist ihnen trotz vieler politischer Bedenken treu geblieben. Auch das typisch für Dich. Einmal entschieden bliebst Du bei der Sache.

Du hast begeistert gesungen, das war für Dich ganz wichtig und eine schöne Möglichkeit, Dich auszudrücken. Als unser Freund Walter Mossmann Ende Mai in Bremen war, erzählte er noch über Euren gemeinsamen schrägen Vortrag des St. Bernhard-Liedes, mit dem ihr den damaligen Oberkreisdirektor Bernhard durch den Kakao gezogen habt.

Noch in den letzten Tagen dann vor Deinem Gang ins Krankenhaus hast Du Dich trotz großer Schmerzen auf den Weg zu einer grünen Konferenz gemacht, um dort Jürgen Trittin von der Notwendigkeit eines neuen Esenshamm-Gutachtens zu überzeugen. Deine Anti-AKW-Arbeit war mehr als die Organisation von Aktionen. Du hast akribische Aktenarbeit geleistet um in Erörterungsterminen und anderswo zu überzeugen.

Immer in den Sielen, bis zuletzt. Selbst dann, als Du von der Schwere Deiner Krankheit erfahren hast war eine Deiner Reaktionen: „ Wenn ich es ein Jahr früher erfahren hätte, hätte ich meine Zwischenlagerarbeit wohl nicht mehr gemacht. Das war also ein geschenktes Jahr.“ Ein kostbares Geschenk für Dich und an die Menschen in der Wesermarsch.

An Deinem Geburtstag letzten Freitag hast Du noch einige Freunde sehen wollen und wir haben zu einer großen Kaffeerunde beisammen gesessen. Du wolltest das so und hast es trotz aller Schmerzen und Erschöpfung genossen. Du sagtest: „Ein Glück, ein großes Glück!“ Und wenn es denn unabänderlich war, dass Du gehen musstest, so liegt darin, dass Deine Leidenszeit am Ende kurz war und wir Dir noch unsere Zuneigung und Liebe zeigen konnten, ein kleiner Trost für uns, die zurück gebliebenen.

Mach’s gut, Helga!
Wir denken an Dich.

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